Unknown 9: Awakening: Test: Unverbrauchtes Setting, Open World, coole Fähigkeiten – was kann da schiefgehen? (2024)

Kaum ein Spiel ist perfekt – aber in den meisten Top-Titeln zerstreuen sich die Schwächen so stark, dass die Stärken überwiegen. In Unknown 9: Awakening trifft das leider nicht immer zu. Obwohl endlich mal keine überstrapazierte Lizenz oder Assassins’s Creed zum Action-Abenteuer einladen, plagen einige Design-Entscheidungen und technische Schwächen die Erfahrung. Ob es für euch trotzdem interessant sein könnte?

Unknown 9: Awakening ist Teil eines reichhaltigen Universums: Podcast, Romane, Comics – Bandai Namco und Reflector Entertainment ziehen einiges an Registern, um uns die Unknown-9-Welt aufzubereiten. Wiederkehrende Zivilisationen, eine Gruppe an, richtig, neun Figuren, die sich an die Transzendierung dieses Aufstieg-und-Fall-Kreis machen wollen, eine Parallelwelt, die nicht allen (aber uns per Tastendruck schon) zugänglich ist … hier bietet sich viel Reichtum, um a) interessante Spielmechanismen und -ideen zu zapfen und b) natürlich eine nachhaltige Marke aufzubauen.

In besagter Spielwelt hegt seit einiger Zeit ein Kampf um eine geheime Parallelwelt, die aber nur wenigen Menschen – Quaestoren – zugänglich ist, was zwangsläufig für Zwist sorgt. Hierzu addieren wir einen Geheim- und einen Nicht-ganz-so-geheim-Bund mit entsprechend ambitionierter Agenda, einige undurchsichtige Briten und Amerikaner – schwups, steht ein grundsätzlich tatsächlich brauchbares Story-Gebilde.

Oberflächlich alle Punkte erfüllt

Für die Protagonistin, die Quaestorin Haroona, konnten die Entwickler Anya Chalotra aus der Witcher-Serie gewinnen – diese leiht der Hauptfigur nicht nur ihre Stimme, sondern hat auch viel Zeit im Motion-Capture-Anzug verbracht. Das Resultat kann sich hören und sehen lassen – auch wenn Gesichtsanimationen nicht durchweg die Stärke von Awakening sind, überzeugt Haroona und es ist eine Freude, ihr zuzuhören. Die deutsche Fassung wurde demgegenüber zwar ordentlich übersetzt, in der recht generischen und oft akzentfreien Synchronisation geht aber einiges an Atmosphäre verloren. Tipp: Audio und Untertitel lassen sich auch in unterschiedlichen Sprachen konfigurieren für maximale Atmosphäre ohne sprachliche Verlustängste.

Was also tun wir im Indien und SPOILERien etc. des Jahres 1908? Wir folgen Haroona aus einer typischen 3rd-Person-Kamera, rennen in allen denkbaren Umgebungen – Stadt, Dorf, Dschungel, Wüste, Fahrzeuge, Herrenhäuser – über Stock und Stein und nutzen dabei ein Arsenal an ausbaubaren Fähigkeiten, um unsere Widersacher auszuschalten.

Die Verbindung zur anderen Welt, der „Fold“, erlaubt dabei einerseits typische alternative Sichtmodi. Was der gute alte Batman mit der Detektivsicht in Arkham vor, ich kann’s ja auch nicht ändern, 15 Jahren einsetzte, um Gegner und Objekte durch Wände zu sehen, kann auch Haroona nutzen, um den Überblick zu behalten. Zudem können wir situativ Gegner übernehmen – für einen kurzen Zeitraum kontrollieren wir die Halunken und steuern sie dann im Regelfall auf einen Angriff zu einem anderen Gegner oder wenigstens einer selbstzerstörerischen Handlung zu.

Das Ganze garnieren wir mit einem kleinen Schleich-System inklusive echter Unsichtbarkeit, Gesundheits- und Energie-Balken, zunehmend windigeren Gegnertypen und schon haben wir ein Action-Adventure, oder?

Im Detail die Krittelei

Nicht so schnell. Denn auch wenn die grundsätzlichen Zutaten für ein rundes Spielerlebnis vorliegen – in vielen Elementen zeigen sich leider einige Mängel. Die sind selten komplett desaströs, aber in der Summe zehren sie stark am Erlebnis. Die Bewegung in der Spielwelt fühlt sich überwiegend gut und flüssig an, aber so manche Passage auch mit nur kleinen Sprungeinlagen bremst dann doch wieder aus. Bei den Kämpfen gilt das Gleiche – mitunter gelingen schöne Choreographien an Attacken und Spezialfähigkeiten, dann zerlegt ein kleiner Bug wie ein flutsch fehlplatzierter Gegner das Ganze.

Und auch wenn es extra einen Trailer mit PC-Features gab und Hersteller AMD Awakening jetzt mit Grafikkarten ausliefert: optisch siedelt sich der Titel eher in der Ober- als in der Spitzenklasse. Einige weite Landschaften oder Innenräume überzeugen durchaus, und auch die Darstellung und Animationen der meisten wesentlichen Charaktere sind einigermaßen zeitgemäß.

Dem stehen allerdings einige deutliche Ausfälle gegenüber – besonders etwa die Textur für Lianen und sonstiges kletterbares Gestrüpp wirkt um wenigstens ein halbes Jahrzehnt veraltet. Auch einige Cutscene- und Sterbe-Animationen könnten ein Update vertragen. Noch ärgerlicher sind aber relativ überraschende Einbrüche der Framerate im Spiel, besonders in Innenräumen. Auch die Tatsache, dass wir uns in Außenarealen oft durch Felswände quetschen, um anscheinend Ladezeiten zu kaschieren, wirkt im Jahr 2024 aus der Zeit gefallen, egal wie viele KI-Upscaling-Optionen im Grafikmenü auf uns warten.

Überhaupt, die Spielwelt. Die stark geführte Spielerfahrung heißt zwar immerhin, dass uns die Nebenquest-Flut mancher Open-World-Vertreter erspart bleibt – ebenso wie klassisches Punktesammeln, im Talentbaum kommen wir durch das Aufgabeln von Anomalien, die in der Welt herumwabern. Doch darüber hinaus gilt wieder: Formal wird Abwechslung geboten und einiges an vertikaler Bewegung.

Aber praktisch krankt die Umsetzung oft. Zum einen, weil wir viel zu viel Zeit mit Begleitpersonen verbringen, mitsamt den üblichen Problemen, wenn wir etwa angeblich zu weit entfernt sind und ums Aufholen gebeten werden. Zum anderen, weil die Welt weitgehend streng linear aufgebaut ist, aber das meist unbeholfen umgesetzt wurde, wenn uns eine kleine Gruppe Marktbesucherinnen abhält oder ein Abhang sich aus nicht offensichtlichen Gründen nicht überqueren lässt. Ja, künstliche Begrenzungen fordern das Leveldesign immer, aber auch hier haben andere Titel das Problem überzeugender gelöst.

Und somit bleibt Unknown 9: Awakening ein in der Summe zwar keineswegs schlechtes Spiel, aber eben auch eins, das in keinem Element wirklich brillieren kann. Mit einigem emotionalen Investment in die klug geschaffene Spielwelt lassen sich durchaus schöne Momente darin verbringen und auch Meta-Kritik über den englischen Imperialismus erkennen. Insbesondere das verkettete Übernehmen von Gegnern entfaltet auch eine befriedigende Wirkmacht. Aber insgesamt gibt es eben auch einige Momente, wo viele mit ein paar Stunden Genre-Erfahrung „Das habe ich aber schon mal besser in … gesehen“ sagen werden.

Bandai Namco hat einen neuen Trailer zu Unknown 9: Awakening veröffentlicht, der acht Minuten Gameplay präsentiert.

… typische Action-Adventures einfach genau euer Ding sind und ihr kleinere Mäkel verzeihen könnt.

… ihr eine offene Spielwelt mit der Story eher im Hintergrund erwartet und gerne frei Punkte für den nächsten Levelaufstieg sammelt.

Fazit

Unknown 9: Awakening: Test: Unverbrauchtes Setting, Open World, coole Fähigkeiten – was kann da schiefgehen? (7)von Christian Burtchen

Solider Ausflug in die vorherige Jahrhundertwende mit viel verpassten Chancen

Ich wollte Unknown 9: Awakening wirklich mögen. Die typischen Action-Adventures in einem unverbrauchten Setting mit einigen originellen, sich daraus ergebenden Mechanismen: Was wäre daran nicht zu lieben?

Leider einiges. Das beginnt schon beim, nun ja, Beginn des Spiels. Das wievielte „weise Person erklärt mir während einer Abenteuer-Wanderung die Welt und währenddessen lerne ich die wesentlichen Mechanismen“-Passage meiner Spieler-Biographie war das jetzt? Es setzt sich fort in einer zwar durchaus unterhaltsamen, aber eben auch mit ordentlich Klischees durchzogenen Geschichte, deren „Twists“ sich kilometerweit ankündigen. Und es mündet schließlich in einer passablen, streckenweise guten Spielerfahrung, die aber nie den kompletten Flow anderer Titel wie der Arkham- oder Assassin’s-Creed-Reihe erreicht.

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Zur Abgrenzung: Unknown 9 spielt nicht in der Totalausfall-Liga eines The Inquisitor. Die meiste Zeit erleben wir ein grundsolides Produkt. Aufstiegspunkte verteilen und mächtiger werden, einige der Spezialkräfte verwenden, das hat durchaus seine Momente. Im Jahr 2024 ist das aber insgesamt zu wenig, um langfristig zu überzeugen.

Überblick

Pro

  • originelles Setting
  • streckenweise schön gestaltete Umgebungen
  • gelungene Synchronisation (englisch) und brauchbare Übersetzung
  • teilweise inspiriert geschriebene Dialoge
  • einige interessante Mechanismen
  • viele Accessibility-Einstellungen

Contra

  • technische Mäkel (Gesichter, einige Landschaftstexturen, Framerate-Einbrüche)
  • zu viele Passagen mit NPC-Begleitung
  • Bewegung und Kampf hakeln mitunter
  • streckenweise unglaubwürdige Spielwelt
  • viele Story-Klischees
  • mäßige KI
Unknown 9: Awakening: Test: Unverbrauchtes Setting, Open World, coole Fähigkeiten – was kann da schiefgehen? (2024)
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Author: Arline Emard IV

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